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Warum ist es so schwer, Gewohnheiten aufzugeben?


Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Was wie ein abgedroschener Spruch klingt, könnte nicht zutreffender sein. Nicht nur lieben wir Menschen es, nach festen Gewohnheiten und Ritualen zu leben, unser System sorgt auch mit allen Mitteln dafür, dass es so bleibt. Die gesellige Zigarette, das entspannte Glas Wein, die leckere Schokolade, das Lümmeln auf der Couch, anstatt zum Sport zu gehen, all das geben wir nur ungern auf. Warum ist es so schwer, unliebe Gewohnheiten aufzulösen und neue zu etablieren?

Nach 66 Tagen in Fleisch und Blut

Die meisten Vorsätze sind nicht nur damit verbunden, eine neue Gewohnheit aufzunehmen, sondern vor allem, eine alte aufzugeben. Wenn Paul sich gesünder ernähren möchte, dann will er nicht nur zum Markt laufen und Obst kaufen, sondern auch die Tüte Chips abends vor dem Fernseher weglassen. Und das ist leichter gesagt als getan, denn der Mensch ist tatsächlich ein Gewohnheitstier. In der Regel brauchen wir mindestens 2 Monate (die magische Zahl lautet 66 Tage), damit eine neue Gewohnheit automatisch abläuft (quasi auf Autopilot) oder die Tüte Chips nicht mehr täglich automatisch gegessen wird. Das ist eine lange Zeit, um Dinge nicht mehr zu tun, die man im Zweifel jahrelang getan hat, und wahrscheinlich sogar ziehmlich gerne. Zudem geben uns Gewohnheiten Sicherheit, die unser innerer Schweinehund mit aller Kraft verteidigt.


Um alte Gewohnheiten aufzugeben, müssen die bestehenden neuronalen Netzwerke im Gehirn verändert werden. Neurowissenschaftler verorten Gewohnheiten in den sog. Basalganglien unterhalb der Großhirnrinde. Da hilft die sachliche Information in der Regel nicht. Jeder Raucher weiß bereits, dass er seinem Körper nichts Gutes tut und das weiß auch jeder Übergewichtige. Das Naschen und Rauchen geht trotzdem weiter.

Die drei Elemente jeder Gewohnheit

Nur wer seine persönliche Gewohnheitsschleife erkundet, kann unliebe Gewohnheiten auf Dauer ablegen. Jede Gewohnheit hat die folgenden drei Elemente, sonst wäre sie keine Gewohnheit geworden: (1) einen Auslöser, (2) eine Routinehandlung und (3) eine Belohnung.

1. Was ist der Auslöser für Deine Routine?

Der Auslöser kann eine typische Alltagssituation sein oder ein Gefühl, eine innere Stimmung, die den Mechanismus in Gang setzt. Bleiben wir mal im fiktiven Leben von Paul. Warum isst Paul jeden Abend Chips auf der Couch? Hunger? Langweile? Sehnsucht nach Entspannung? Mit Hunger hat das in der Regel nichts zu tun, insbesondere weil es vorher ja auch schon Abendbrot gab. Und wenn Hunger nicht das Problem ist, dann ist essen auch nicht die Lösung. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, sich bewusst zu machen, dass unser Essverhalten von einer Vielzahl von Aspekten beeinflusst wird, die uns gerade nicht bewusst sind und die oft nichts mit Hunger zu tun haben. Lies' hier nochmal nach, welche das sind und welche Auslöser für Dich in Frage kommen.

2. Was ist die Routine-Handlung?

Nach dem auslösenden Moment (Paul setzt sich abends zum Fernsehen auf die Couch) durchläuft das Gehirn automatisch den charakteristischen Ablauf dieser Gewohnheit. Das heißt, sobald sich Paul auf die Couch gesetzt und den Fernseher anmacht hat, animiert ihn sein innerer Schweinehund dazu, Chips zu essen. Und nicht gerade subtil, sondern vehement. Denn dann gibt's eine Belohnung!

3. Was ist die Belohnung?

Die Routinehandlung aktiviert das Belohnungssystem unseres Gehirns und es wird Dopamin ausgeschüttet. Dopamin ist eine "körpereigene Droge", die chemisch mit Morphium verwandt ist. Bereits im Baby-Alter werden wir durch diesen beglückenden Stoff angegetrieben, um immer wieder neue Fähigkeiten auszuprobieren, bis wir sie schließlich beherrschen. Sonst würde kein Baby laufen lernen. Etwas Ähnliches bewirkt die in Frage stehende schlechte Gewohnheit, die Paul loswerden möchte, sonst wäre sie keine geworden. Und da wird die Recherche ganz schön schwer: Was ist die konkrete Belohnung? Warum tut Paul die Tüte Chips vermeintlich so gut? Geht es gar nicht um die Chips an sich, sondern um die sich darauf hin einstellende Entspannungsphase, die ihm gut tut?

Tipp: Vermeide die auslösende Situation

Der vermeintlich einfachste Weg, alte Gewohnheiten abzustellen, besteht darin, die auslösende Situation zu vermeiden. Paul könnte also anstatt Fernsehen zu schauen, ab jetzt abends Sport treiben oder an einem anderen Ort, als auf der Couch, ein Buch lesen.

Da das auch nicht immer klappen wird, kann man alternativ einer schlechten Gewohnheit eine bessere entgegen stellen. Wenn Paul den Drang verspürt, die Tüte Chips aus der Speisekammer zu holen, könnte er einen bereits vorbereiteten Teller mit Früchten und Nüssen in der Küche vorfinden und statt der ungesunden Chips gesünder snacken. Idealerweise sind gar keine Chips in der Speisekammer. Denn alleine das Angebot von Chips wirft wahrscheinlich sämtliche Pläne wieder über den Haufen.

Genaue und vor allem realistische Ziele formulieren

Unabhängig von der besten Strategie klappen Vorsätze nur, wenn Paul fest davon überzeugt ist, dass er diese Gewohnheit ändern will und genaue Ziele formuliert. "Ich möchte mich gesünder ernähren" oder "ich treibe mehr Sport" reicht in der Regel nicht, da zu vage. Konkrete Formulierungen, "ich esse vor dem Fernseher Obst und Nüsse" oder "ich gehe montags und mittwochs um 19:30 h zum Schwimmen" klappen laut Studien besser.

Paul sollte sich darüber hinaus realistische Ziele setzen. Wenn man die letzten Jahren mehr als ungern zum Schwimmen gegangen ist, dann wird sich das auch im neuen Jahr nicht ändern. Dann muss Paul sich eine Sportart suchen, die ihm tatsächlich Spaß macht oder zumindest mehr und Aussicht darauf hat, dass er dran bleibt.


Ganz wichtig! Die eigene Belohnung nicht vergessen, wenn die (Teil-)Ziele erreicht werden. Ohne Belohnung wird die neue Verhaltensweise keine Gewohnheit. Interessanterweise reicht dazu aber schon eine bewusst betonte Siegerpose aus: Die Arme hoch reissen, eine Becker-Faust machen, laut rufen "Gut gemacht! Weiter so!" Was auch immer für Dich passt und sich gut anfühlt. Unser Unterbewusstsein reagiert auf dieses bewusste Theater und schüttet tatsächlich Glückshormone aus, nach dem Motto: "Oh, beim Paul scheint's ja gut zu laufen! Da gibt es zur Belohnung mal ein bisschen Dopamin". Schließlich ist es sehr hilfreich, seinen Vorsatz in Form einer Affirmation aufzuschreiben, anderen davon zu erzählen und die Teilerfolge zu dokumentieren.


Ich wünsche ganz viel Erfolg bei der Umsetzung!


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