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Veganes Grillen - Ein Widerspruch?


In der letzten Wochen waren wir im Restaurant Kuli Alma (Frankfurt) zum veganen Grillabend. Meine Tochter und ich, die seit vielen Jahren kein Fleisch gegessen haben, waren voller Vorfreude. Und die wurde auch nicht enttäuscht. Das Kuli Alma macht ausgesprochen leckere Spieße aus hervorragend selbst hergestelltem Seitan. Die Fleischesser, die uns begleitet haben, waren überrascht, wie lecker dieser verschmähte Fleischersatz war. Für mich ist ein veganes Restaurant, das leckeres Essen anbietet, eine absolute Wohltat. Ich kann tatsächlich alles auf der Karte bestellen, ohne Zutaten studieren zu müssen, den Kellner nach Sonderwünschen zu fragen oder nur Beilagen zu nehmen. In Bezug auf Fleischersatz werde ich jedoch - wie viele andere Veganer auch - ständig darauf (fast schon empört) angesprochen, warum wir Veganer Fleischersatz brauchen. Wenn wir kein Fleisch essen wollen, dann brauchen wir doch auch kein Fleischersatz, oder? Ernährungspsychologisch lautet die Antwort "Doch!". Und zwar vor allem dann, wenn ein Fleischgericht in unserer Kindheit eine Rolle gespielt hat.


Essentscheidungen treffen wir vor allem umbewusst

Die meisten Veganer - und dazu habe ich keine statistischen Fakten - hören wohl auf, Fleisch zu essen, weil sie das Leid der Tiere in der Massentierhaltung nicht mehr unterstützen wollen, aus gesundheitlichen Gründen oder um einen Beitrag gegen den Klimawandel zu leisten (die Massentierhaltung ist einer der größten CO2 Emittenten überhaupt). Doch neben diesen bewussten Entscheidungen, die wir meist als Erwachsene treffen, gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die uns unbewusste Essentscheidungen treffen lassen.

Welche Nahrung wir letztlich mögen, ist das Ergebnis unserer Sozialisation in einer bestimmten Esskultur. Innerhalb der einzelnen Nahrungskosmen bilden sich dann durch Erziehung und gewisse Lernprozesse, individuelle Geschmackspräferenzen und natürlich auch Abneigungen als persönliche Essgewohnheiten. Die treibende Kraft, die uns ursprünglich prägt, ist die Familie. Und aus ernährungspsychologischer Sicht ist die emotionale Komponente beim Essen zentral. Ein Essen, dass wir besonders gerne in unserer Kindheit gegessen haben, spendet uns in schwierigen Situation Trost, denn wir assoziieren damit Liebe und Geborgenheit. Eine Thüringer im Brötchen oder ein gegrillter Hamburger sorgt durch die Kombination aus Kohlenhydraten und Fett über hormonelle Regelprozesse auch tatsächlich für eine unmittelbare Ausschüttung des Belohnungshormons Dopamin. Mit bewussten Essentscheidungen hat das nichts zu tun.

Wenn's nach Sommer riecht...

So steht's auch mit dem Grillen. Wir assoziieren damit eine fröhliche, gesellige Runde, in der in einer lauen Sommernacht gemeinsam und entspannt mit Familie und Freunden gegessen wird. Kennt Ihr das auch, wenn ihr im Sommer riecht, dass in der Nachbarschaft gegrillt wird, und ihr dann auch sofort den Grill anwerfen wollt? Das geht eben auch mir als Veganer so, obwohl ich gegrilltes Fleisch von Tieren nicht mehr essen könnte. Natürlich liegen bei uns auch Maiskolben, Kartoffeln und Gemüse auf dem Grill. Aber eben auch selbst hergestellte Würstchen, Grillspieße und Frikadellen. Ich imitiere mit Fleischersatz das, was unsere Familie jeweils in ihrer Kinderheit gerne gegessen hat. Da das Kuli Alma ab 17:30 rappelvoll war, geht es wohl anderen Veganer auch so. An meinen veganen Fleischrezepten, z.B. Königsberger Klopse, Köfte, Chili sin Carne oder Bratwürstchen habe ich lange experimentiert, bis sich das Gefühl nach Soulfood eingestellt hat. Nur mit den Grill-Spießen hat es bislang noch nicht so richtig geklappt. Obwohl ich des öfteren dran war, die von meiner Tochter heiß geliebten asiatischen Hähnchen-Spieße mit Erdnusssauce zu imitieren. Da werde ich jetzt mal versuchen, im Kuli Alma ein paar Tipps abzugreifen.


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